Sabine Hering / Kurt Schilde: Das BDM-Werk "Glaube und Schönheit". Die Organisation junger Frauen im Nationalsozialismus. 227 S., Metropol Verlag, Berlin 2000.

 

Die Organisation "Glaube und Schönheit" war eine Organisation innerhalb des Bundes Deutscher Mädel (BDM), die 1938 gegründet wurde. In ihr sollten die 17- bis 21jährigen jungen "Volksgenossinnen" zusammengefaßt werden, um einem zu frühen Entgleiten dieser Altersgruppe aus den Fängen von Staat und Partei ins Privatleben vorzubeugen. In der als gefahrenträchtig ausgemachten Kontrollücke zwischen Jugend und Erwachsensein, zwischen BDM und NS-Frauenschaft sollte nach dem Willen von Reichsjugendführer Baldur von Schirach die Erziehung der weiblichen Jugendlichen zur "gemeinschaftsgebundenen Persönlichkeit" einspringen. Inhaltlich konnten die Teilnehmerinnen zwischen verschiedenen Arbeitsgemeinschaften wählen, die allesamt einem politischen Kalkül unterlagen - und dieses Kalkül mit dem Angebot zur persönlichen Entfaltung verbanden: Sport und eine natürlich-bewußte Lebensführung sollten die Mädchen und Frauen als zukünftige Gebärerinnen des "deutschen" Nachwuchses gesund halten, Fortbildungen in verschiedenen Bereichen sie in aktuelle kriegspolitische Maßnahmen einbinden wie die Betreuung verwundeter Soldaten, Tätigkeiten im Gesundheitsdienst, im Luftschutz etc. Allen Angeboten lag der Gedanke zugrunde, die Loyalität der jungen Frauen zum Regime zu erringen bzw. zu sichern. Den Funktionärinnen innerhalb der Organisation schließlich wurden Karrierechancen und Leitungsfunktionen geboten, die ihre Mütter nie gehabt hatten.

Der Band der Erziehungswissenschaftlerin Sabine Hering und des Historikers Kurt Schilde präsentiert die NS-Organisation anhand von zwei Zugängen: einem Dokumentarteil zur Organisation, also gewissermaßen die offizielle Darstellung nach außen, der kurz eingeleitet wird, und als Gegenstück dazu die Binnenperspektive mit einem Interviewteil, dem ebenfalls eine kurze Auswertung vorangeht. Durch die Knappheit der Analyse bleibt jedoch wesentliches ausgespart. Was unterschied "Glaube und Schönheit" vom BDM oder auch von Organisationen für junge Männer? Wie lassen sich die gravierenden Unterschiede, mit denen Interviewpartnerinnen ihre Zeit bei Glaube und Schönheit deuten, erklären? Mit anderen Worten: wie wären elternhäusliche Sozialisation, Freundesumfeld, kognitive Faktoren, situationsbedingte Erfahrungen, Reflexionen nach 1945 etc. zu gewichten, um zu erklären, warum bei vielen Frauen die Identifikationsbereitschaft mit dem System durch eine derartige Gruppierung gesteigert wurde, während hingegen andere dieses nationalsozialistische Angebot - zumindest heute - eher als Belästigung und nicht als Handlungsraumerweiterung, sondern -beengung schildern? Wie genau wirkte also "das Angebot" Glaube und Schönheit? Und wie wollen Hering und Schilde ihre Ergebnisse in die Gesamtforschung zur Geschlechtergeschichte des Nationalsozialismus einordnen?

Inhaltlich bringt der Band daher nicht viel Neues und geht nicht über Ergebnisse anderer Untersuchungen zum BDM oder der HJ hinaus. Verdienstvoll bleibt aber, daß Hering und Schilde diese weitgehend vergessene Organisation für junge Frauen im Dritten Reich wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt haben.

 

Oldenburg, Birthe Kundrus

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