Jürgen Kocka (Hg.): Die Königlich preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Kaiserreich. 486 S., Akademie Verlag, Berlin 1999.
Anläßlich ihres dreihundertjährigen Bestehens veranstaltet die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften drei große Symposien zu ihrer neueren Geschichte seit 1870. Für die ersten 170 Jahre liegt mit Adolf von Harnacks "Geschichte der Königlich-preußischen Akademie der Wissenschfaten zu Berlin" eine profunde Studie vor, an welche die Symposien anschließen, die sie aber nicht fortschreiben wollen und können. Vielmehr sollen Aspekte der Akademiegeschichte im Kaiserreich, in der Weimarer Republik, während des Nationalsozialismus, in der DDR und schließlich im wiedervereinigten Deutschland anhand von einzelnen, interdisziplinären Studien beleuchtet werden. Der erste Band dieses ehrgeizigen Unternehmens liegt nun vor und mag man in den letzten Jahren zunehmend über Sinn, Zweck und die Formen des Fortbestehens der mittlerweile als schwerfällig und wissenschaftlich nicht mehr zeitgemäßen Akademien diskutieren, so belegt der vorliegende Band jedoch zumindest, wie interessant die Beschäftigung mit dem historischen Phänomen sein kann. Hier wird nämlich keine der lange üblichen antiquierten Erfolgsgeschichten geboten, nach dem Motto: was leisten große Akademiker für die Wissenschaft?, sondern methodisch anspruchsvolle Themen behandelt.
Der Band gliedert sich in drei thematische Blöcke. Der erste mit Beiträgen von Rudolf Vierhaus, Walter Rüegg und Conrad Grau ordnet die Akademie und ihre Entwicklung im bestehenden Wissenschaftssystem ein. Hier finden sich aber auch sehr interessante Beiträge über die vergeblichen Bemühungen der Akademiker, die Einheit der Wissenschaften zu bewahren und zu der Frage, inwieweit die Akademiker bereit waren, sich in der Berliner Gesellschaft zu integrieren.
In der zweiten Abteilung wird thematisiert, wie die zu Beginn des Jahrhunderts noch unbestrittene Führungsposition der Akademie in der Forschung zunehmend von neueren Forschungsinstituten – wie denjenigen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft – und den sich nun auch verstärkt auf die Forschung konzentrierenden Universitäten in den Hintergrund gedrängt wurde. Ein weiterer Aufsatz thematisiert die gescheiterten Versuche, eine internationale Zusammenarbeit der wissenschaftlichen Akademien voranzutreiben.
Der dritte Themenblock bietet dann wiederum Einzelaspekte zu verschiedenen Disziplinen und Forscherpersönlichkeiten, zu den Fächern Geschichte und Archäologie sowie naturwissenschaftlichen Fachrichtungen wie Physik und Chemie, Biologie und Technikwissenschaften. In den Natur- und Technikwissenschaften erwies sich die Akademie mit ihren Organisationsstrukturen den neuen wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen als unterlegen. Im Bereich der Geisteswissenschaften war man hingegen im In- und Ausland sehr angesehen, vor allem aufgrund der erfolgreichen altertumswissenschaftlichen corpora und den Acta Borussica. Unbestritten ist weiterhin das hohe Ansehen, das die Akademie in der Öffentlichkeit während des gesamten 19. Jahrhunderts genoß, jenes Saeculum, das ohnehin ihre Glanzzeit repräsentierte. Eingerahmt werden die recht disparaten Aufsätze durch eine instruktive Einleitung von Jürgen Kocka und einem Resümee, ebenfalls von Kocka und seinen Mitarbeitern, das grundsätzliche Informationen zur (Vor-)geschichte der Akademie, ihren Mitglieder- und Organisationsstrukturen, ihrem Prestige sowie der wissenschaftlichen und politischen Bedeutung dieser traditionsreichen Institution im Kaiserreich liefert und weiterführende Fragen entwickelt. Dies geschieht zum Teil auch in den Aufsätzen, die zum Teil mehr Anregungen als Abgeschlossenes bieten. So gibt es z.B. bis heute noch keine umfassende Studie über das Verhältnis von Stadt und Akademie. Man darf schon gespannt auf die folgenden Bände sein, die doch vor allem zum Verhältnis von Wissenschaft und Herrschaft einiges bieten dürften.
Trier, Gabriele B. Clemens
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