Walter Loewenheim: Geschichte der Org. [Neu Beginnen ] 1929-1935. Eine zeitgenössische Analyse, hrsg. von Jan Foitzik. 213 S., Edition Hentrich, Berlin 1995.

 

Kaum eine Widerstandsgruppe aus dem Spektrum der linken Splittergruppen hat so viel Interesse der Forschung auf sich gezogen wie die Org. Unter der Führung von Walter Loewenheim war die Org(anisation), wie sie sich ebenso konspirativ wie selbstbewußt nannte, zu Beginn der dreißiger Jahre angetreten, durch Zellenarbeit in SPD und KPD einen Beitrag dazu zu leisten, die Spaltung der Arbeiterbewegung zu überwinden. Aus der Org. wurde die Gruppe "Neu Beginnen" - so genannt nach der Programmbroschüre von "Miles" (d.h. Walter Loewenheim) vom Herbst 1933. Zur Zeit ihrer größten Expansion - 1934 - zählten maximal 150 Mitglieder zum engeren Kreis, und einschließlich der "Peripherie" gehörten höchstens 500 Personen zum Umfeld der Organisation.

Nach einer knappen Einleitung, die die notwendigen Hintergrundinformationen und Interpretationshilfen bietet, präsentiert Jan Foitzik in dieser Dokumentation einen Text zur Geschichte der Org., den Walter Loewenheim - unter dem Pseudonym Kurt Berger - für einen Fortgeschrittenenkurs zur Schulung von Org.-Mitgliedern im Sommer und Herbst 1935 zusammengestellt bzw. niedergeschrieben hat. Das Dokument besteht aus zwei Teilen:

Während im ersten Teil die "Vergangenheit", d.h. die Geschichte der Org. bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten, behandelt wird, geht es im zweiten (deutlich kürzeren) Teil um den "Niedergang", also um die Jahre von 1933 bis 1935. In den Text integriert hat W. Loewenheim die Kurzfassung eines bereits früher - laut Datierung der Einleitung Ende 1930 - geschriebenen Manuskripts über "Die Proletarische Revolution". Dieser Text wird im 1935 zusammengestellten Schulungsmaterial einer selbstkritischen Analyse unterzogen.

Der historische Abriß der Org.-Entwicklung, den dieses Schulungsmaterial bietet, ist natürlich zunächst einmal als Quelle zur (Vor-)Geschichte von "Neu Beginnen" von hoher Bedeutung. Vielleicht noch wichtiger als die Informationen über Daten, Personen und Kontakte sind indessen die Aufschlüsse, die diese Darstellung über das Selbstverständnis und die politischen Ziele und Konzeptionen der Org. bietet. Mit einer aus heutiger Sicht befremdlich wirkenden Selbstgewißheit wird die politische Entwicklung zu Beginn der dreißiger Jahre analysiert, wobei die Politik von SPD und KPD, der Aufstieg der NSDAP und das "Dritte Reich" sowie die Entwicklung in der Sowjetunion im Zentrum der Betrachtungen stehen. Ein paar Beispiele müssen genügen: Bereits 1930 wurde die NSDAP als die "führende Partei einer weißen Diktatur" apostrophiert.(S. 45) Aus der Sicht der Org. - bzw. W. Loewenheims - war die KPD ebenso bürgerlich wie die SPD.(S. 95) Und der Sowjetwirtschaft wurde attestiert, sie entwickle sich "nicht vorwärts zum Sozialismus, sondern hinter den Kapitalismus zurück".(S. 137) Insgesamt erlaubt das hier präsentierte Dokument nicht nur einen Einblick in die politischen Konzeptionen der Org., sondern zugleich in das Selbstverständnis einer kleinen Gruppe, die sich als revolutionäre Elite betrachtete.

 

Rheinbach, Michael Schneider

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