Corey Robin: Fear. The History of a Political Idea. 316 S., Oxford University Press, New York 2004.

 

Mit dem zu besprechenden Buch von Corey Robin, Associate Professor of Political Science an der City University of New York, liegt ein Werk vor, das den Best First Book Award in Political Theory der APSA gewann. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an dieses Buch. Von besonderem Interesse ist für den Autor eine vom Staat generierte Furcht, die nicht nur als Kontroll-, sondern auch als Bindungsmöglichkeit an den Staat verstanden werden kann. Furcht wird daher nicht nur als Werkzeug, sondern gar als „Management Tool“ begriffen (S. 20), das sich sowohl vertikal wie horizontal einsetzen lässt. Das Werk gliedert sich in zwei Teile: Der erste Teil stellt vier Formen politischer Furcht (Kap. 1-4) und ihre Ursachen anhand der Werke von Hobbes, Montesquieu, Tocqueville und Arendt dar.
Anhand des Werkes von Thomas Hobbes wird zunächst die für Robin ursprüngliche Form der Furcht (fear) erläutert. Es handelt sich dabei um eine Furcht, die zum einen die im Naturzustand verharrenden Menschen erkennen lässt, dass eine staatliche Organisation der einzelnen Individuen für alle zum Vorteil erscheint (da hier die allseitige Bedrohung durch die anderen Individuen durch eine einseitige, seitens des Staates ersetzt wird) und daher in eine solche führt, die aber sodann gleich in ein Instrument des Staates transformiert wird, um den Menschen das Wechselspiel von Schutz und Gehorsam demonstrieren zu können. Staat und Institutionen können und werden in diesem Fall durch Furchterzeugung geformt bzw. umgeformt und zwar genau so, wie es den Ansprüchen des Souveräns zur Erfüllung seiner Aufgaben entspricht.
Im zweiten Kapitel behandelt Robin die Beschreibungen Montesquieus, die sich auf das Regime von Louis XIV beziehen. An dieser Stelle wird eine Furcht beschrieben, die durch die Willkür des Despots gekennzeichnet ist und hier ihren Ursprung nimmt; genauer hat sie ihre Basis im  despotischen Terror, der nur den einen Zweck hat: den Despot zu befriedigen (S. 51). Robin schätzt diese Form eher als apolitisch ein, da der Terror die Institutionen des Staates umgeht (S. 54).
Der dritte Aspekt der Ursachen politischer Furcht zeigt sich für Robin in Tocquevilles Schilderung der amerikanischen Demokratie. Hier ist eine Neuakzentuierung der Furcht zu erkennen: Zum einen wird eine Verschiebung des Ortes der Furcht vom Individuum zur Masse festgestellt und zum anderen ist die anzutreffende Form der Furcht eher eine der Ängstlichkeit bzw. der Ungewissheit. Robin bezeichnet diese Ausprägung als anxiety, charakteristisch für diese Form ist, dass sie ihren Ursprung nicht in einer konkreten Bedrohung seitens des Staates nimmt. Anxiety ist vielmehr als Kontrollverlust der einzelnen Individuen, deren gewohntes Umfeld sich verändert oder auflöst bzw. als Überforderung jener, durch die neuen gesellschaftlichen und politischen Anforderungen (S. 75), mit denen man erst umgehen lernen muss, zu verstehen.
Die vierte und letzte zu unterscheidende Form der Ursache politischer Furcht wird als total terror charakterisiert und anhand von Hannah Arendts Überlegungen verdeutlicht. Ein Zusammenspiel von Massenunsicherheit bzw. -ängstlichkeit und despotischem Terror führt zu einer antipolitischen Form der Furcht, die durch das Versprechen der Lösung der Unsicherheiten in der Ideologie – deren Aufgabe es u. a. ist, durch Vortäuschung falscher Tatsachen bestimmten Menschen die Ängste und Unsicherheiten zu nehmen und sie stärker an den Staat und seine Ideologie zu binden; dies geschieht zum Einen in Form von ständiger Betonung der Zugehörigkeit beispielsweise zu einem Volk, um gegen die Vereinsamung in der Masse vorzubeugen und zum Anderen durch die andauernde Beschwörung höherer Ziele, die den Zweck hat, den Menschen ein Ziel vor Augen zu führen bzw. einen Sinn erkennen zu lassen – heruntergespielt wird. Die totalitären Bewegungen des 20. Jahrhunderts versprechen die psychologische Lösung der Angst vor der Isolation in Form der Unterordnung und des Gehorsams und einer daraus entstehenden gemeinsamen Identität (S. 102).
Wie oben angesprochen untersucht Robin sowohl die politische (Hobbes, Tocqueville) wie die anti-politische (Montesquieu, Arendt) Ausprägung von Furcht. Den Abschluss des ersten Teils bildet eine Auseinandersetzung mit Judith Shklars „liberalism of fear“ (S. 144ff.) in der Robin zwar dem entscheidenden Teil der These, nämlich dass Terror eine neue negative Fundierung und Stärkung liberaler Institutionen mit sich bringen kann (und dies aus dem Grund, da die Institutionen durch ihre Schutzfunktion der Bürger gegen den Terror von eben jenem indirekt stärker legitimiert werden), zustimmt, aber zu bedenken gibt, dass der Terrorismus als Bedrohung und Erzeuger der Furcht von Außen, zwar eine Legitimierung der Institutionen und ihre Stärkung mit sich bringen kann, dabei aber übersehen wird, dass gerade dann die gleichen Institutionen, die schützen sollen,  durch die Legitimierung und das Vertrauen, dass in sie gesetzt wird, eine konstante und bedrückende Furcht selbst generieren können, in dem sie Lage und die Bedrohung überzeichnen.
Der zweite Teil gliedert sich in drei Kapitel und trägt die Überschrift „Fear. American Style“. An dieser Stelle geht es dem Autor um eine Charakterisierung bzw. eine Analyse der Fruchterzeugung im politischen und sozialen Leben der Vereinigten Staaten (S. 161f.). Dabei hebt er insbesondere hervor, wie politische, soziale und wirtschaftliche Institutionen in der Lage sind, Furcht zu erzeugen, die in längerfristiger Perspektive, die Ungleichheit zwischen den Menschen noch verstärken kann. Um diese Sachverhalte darzustellen, bedient sich Robin einem Beispiel aus der jüngeren amerikanischen Geschichte: der McCarthy-Ära. In dieser Zeit ist die bewusste Erzeugung bzw. Ursache politischer Furcht, Robin zufolge, am deutlichsten zu sehen. Dabei behandelt der Verfasser die Bereiche a) der „Sentimental Education“ (Kap. 6), nämlich der durch Furcht und (Selbst-)Zensur betriebenen Erziehung zur politischen Korrektheit, b) der „Division of Labor“ (Kap. 7), in der er der Frage nachgeht, ob Furcht von der Politik getrennt werden kann und wenn ja, welche Möglichkeiten liberale Politik dazu bieten kann. Furcht kann und soll durch Gesetze, Institutionen und politische Bewegungen bekämpft oder zumindest gebändigt werden. Eine Fruchterzeugung seitens der liberalen Institutionen im Zuge der Verwirklichung der Freiheit kann ebenso versprochen werden und stützt damit Robins These, dass Furcht ein nützliches „Management Tool“ sein kann. Ein weiterer Akzent in diesem Kapitel liegt auf der Betrachtung der möglichen Einflussnahme und Furchterzeugung durch die institutionelle Fragmentierung auf föderaler Ebene (S. 204). Diese erscheint dem Autor als nicht unerheblich, da die Einflüsse auf den Kongress bzw. Ausschüsse desselben verteilt werden können. Daher sieht er im Föderalismus auch eine Verstärkung der Möglichkeiten Furcht zu erzeugen und vermeintliche Gefahren der Bevölkerung bewusster vor Augen zu führen. In einem dritten Abschnitt „Upstairs, Downstairs“ (Kap. 8) beschäftigt sich Robin dann mit c) der durch Furcht gekennzeichneten Situation der Arbeiter und deren Arbeitsbedingungen in den Vereinigten Staaten (S. 228). Der Grundgedanke in diesem Kapitel ist, dass auch zivile Akteure in der Lage sind, Furcht in konstanter Weise zu erzeugen (S. 228, 236); dies zeige sich an den Bedingungen der Arbeiter in den Vereinigten Staaten, deren Arbeitsplätze durch soziale Kontrolle und Furcht gekennzeichnet sind und aus denen sich eine ungleiche Verteilung der Position des jeweiligen einzelnen noch verstärkt.
Die Konklusion berücksichtigt im Wesentlichen nur den zweiten Teil des Buches, indem sie sich den „schizophrenic qualities“ (S. 249) des amerikanischen Liberalismus widmet. Für Robin ist political fear zugleich „fulfillment and betrayal of liberalism“ (S. 249). Die politics of fear die am Beispiel der bewussten Erzeugung und Nutzung von Furcht in der McCarthy-Ära durch Robin illustriert wurde und das liberale Geflecht aus politischen Institutionen haben nach der Darstellung des Autors eine Herausbildung von Freiheit und Gleichheit, durch die gleichzeitige Bekämpfung und Erzeugung der Furcht im Versprechen der Verwirklichung der Freiheit, verhindert (S. 250). Es ist eben nicht nur der Terrorismus, der Furcht erzeugt und durch seine Bedrohungen eine neue und weitreichende Legitimation der Institutionen schafft, sondern es sind auch die Institutionen des Staates selbst, die durch ihre Position eine Form der Furcht generieren, die hilft, die Bürger enger an sie zu binden. Aber gerade hierbei wird, wenn die Furcht als Mittel der Dominierung genutzt wird, eine Ungleichheit verstärkt und eine Etablierung der Freiheit nicht wirklich gefördert. Jedoch versteht er den Liberalismus als eine Form, die die Freiheit von der Furcht garantieren sollte. Aus diesem Grunde ist alles zu unternehmen, um durch die Mittel des liberalen Staates, also dem Gesetz und den Institutionen, die Furcht nicht zu erzeugen, sondern sie im Gegensatz dazu im Zaum zu halten (S. 251). Der Autor betrachtet den Liberalismus als eine Politik der Hoffnung; er solle auf keinen Fall eine Politik der Furcht sein. Weiterhin solle die liberale Politik als Werkzeug dazu dienen, die vorhandenen Ungleichheiten innerhalb der Bevölkerung zu beseitigen.
Robin präsentiert in seinem Buch zwei Teile, die zunächst sehr unterschiedlich scheinen. Die interessante und ausführliche Beschreibung der Furcht als politische Idee und deren Einsatz bzw. die Fruchterzeugung im Politischen, ist als eine ideengeschichtliche Analyse angelegt, während der zweite Teil sich aktueller amerikanischer Politik zuwendet, die an verschiedenen Bereichen illustriert wird. Was diese beiden Teile des Buches verbindet, ist die sowohl den ideengeschichtlichen Ausführungen wie auch der Beschreibung der amerikanischen Politik zugrunde liegende These, dass äußere Bedrohungen bzw. Furcht zwar auf der einen Seite in der Lage sind, (liberale) politische Ordnungen zu stärken oder gar zu festigen, auf der anderen Seite aber, im Falle der Furchterzeugung seitens der Institutionen oder innerhalb der Zivilgesellschaft – diese Form hat nach Robin einen erheblichen Anteil an der Erzeugung der Furcht in der Bevölkerung der USA –, sie ihre eigenen Ziele betrügen und somit sich und ihre Aufgaben selbst unterlaufen.

 

Hannover, Timo Freudenberger

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